Mit der Stellungnahme zum Berufsbildungsbericht 2025 reagiert der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit auf aktuelle Zahlen im Ausbildungsmarkt. Mit Blick auf die Daten fordert der Kooperationsverbund den Ausbau sozialpädagogischer Coaching-Angebote, eine wirksame Ausbildungsgarantie und den Umbau zu einem qualitativ hochwertigen Übergangssystem. Die Stellungnahme im Wortlaut.
Der Berufsbildungsbericht 2025 gibt der Bundesregierung wichtige Hinweise: 70.400 Ausbildungssuchende waren zum Ausbildungsjahr 2024 laut Datenreport des Bundesinstituts für Berufsbildung (bibb) nicht erfolgreich, eine Ausbildungsstelle zu finden. Oder sie haben ihre Wunschausbildung nicht beginnen können. Das sind 6.700 mehr als im Vorjahr. Ausreichende Ausbildungsplätze stehen rechnerisch aber zur Verfügung: 69.400 Ausbildungsstellen blieben unbesetzt. Das sind zwar 4.000 weniger als im Vorjahr, es unterstreicht aber die sogenannten „Passungsprobleme“ auf dem Ausbildungsmarkt und zeigt: Immer mehr Betriebe ziehen sich aus der Ausbildung zurück, auch weil sie keine entsprechenden Bewerber*innen finden. Dies trägt auch dazu bei, dass jeder fünfte Mensch zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss hat – mittlerweile 2,86 Millionen Menschen. Aktuelle Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Monat Oktober zeigen, dass der Trend bestehen bleibt.
Das alles vor dem Hintergrund eines allgemeinen Fachkräftemangels, der durch unbesetzte Ausbildungsstellen zusätzlich verschärft wird. Aus Sicht der Jugendsozialarbeit muss als ein Teil zur Lösung dieser Passungsprobleme ein Übergangssystem zur Verfügung stehen, das eine inklusive, effektive, kontinuierliche und individuelle Begleitung anbieten kann, um allen jungen Menschen die Chance auf eine abgeschlossene Berufsausbildung zu ermöglichen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass 26,3 % der Jugendlichen im Übergangssektor nach Meinung der sie begleitenden Fachkräfte sofort eine Ausbildung beginnen könnten, wenn es einen Ausbildungsplatz für sie gäbe. Weitere 36,4 % könnten dies tun, sofern sie dabei professionell begleitet werden.
Sozialpädagogische Coaching-Angebote
Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert eine wirkungsvolle Ausgestaltung und Umsetzung des § 31a SGB III mit den Ländern, damit junge Menschen ohne Anschlussperspektive besser angesprochen werden können. Dabei ist auch zu beachten, wie die jungen Menschen identifiziert werden, die Schwierigkeiten im Übergang von der Schule in den Beruf haben und welche Unterstützungsmöglichkeiten die Agentur für Arbeit überhaupt anbieten will. Schwierigkeiten im Übergang fordern meist sozialpädagogische Coaching-Angebote, Beratung und persönliche Unterstützung. Im Kontext von Jugendberufsagenturen ist hier eine abgestimmte Angebotsplanung zwischen mindestens Jobcentern, Jugendhilfe und Agenturen wünschenswert. Gerade für die Ansprache von jungen Menschen ohne Anschlussperspektive ist dann auch die Jugendsozialarbeit gefordert.
Wirksame Ausbildungsgarantie
Benötigt wird eine Ausbildungsgarantie, die wirkt. Und die viel stärker nach Qualitätskriterien vergeben wird und weniger nach dem kostengünstigsten Angebot. Die Möglichkeiten der abschlussbezogenen, bundesweit anerkannten Teilqualifikationen (TQ), der Streckung der Ausbildung und Validierung von Berufserfahrungen müssen systematischer genutzt werden. Die Zielsetzung, mit TQ einen Berufsabschluss zu erlangen, muss gestärkt werden. Viele wirksame Instrumente gegen Passungsprobleme und Fachkräftemangel stehen längst bereit. Die Instrumente müssen dafür aber unbedingt auskömmlich finanziert werden. Es müssen individuell ausgerichtete Coaching-Angebote sein, die auf die jeweiligen Unterstützungsbedarfe eingehen können.
Umbau zu qualitativ hochwertigem Übergangssystem
Das Übergangssystem muss zugunsten qualitativ hochwertiger Angebote umgebaut und auf seine Wirksamkeit im Interesse der jungen Menschen hin überprüft werden. Dabei ist zu beachten, dass junge Menschen aus unterschiedlichen Gründen dort einmünden: Sei es noch keine beruflichen Vorstellungen, Kompetenz- oder Förderbedarfe zu haben oder einfach die Chancen auf den Wunschberuf verbessern zu wollen. Des Weiteren können sie Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Tagesstruktur oder Diskriminierungen während des Ausbildungsverlaufs erfahren haben.
Individuell ausgerichtete Hilfeangebote sind notwendig. Dazu gehört auch, die Bedarfe und Wünsche der jungen Menschen stärker in die Planung und Ausgestaltung der Förder- und Unterstützungsleistungen einzubeziehen. Die Jugendsozialarbeit kann dabei unterstützen.
Es braucht ein Übergangssystem, das eine kontinuierliche und individuelle Begleitung ermöglicht, um allen jungen Menschen eine gute berufliche Perspektive zu ermöglichen und damit auch dem Fachkräftemangel zu begegnen.
Debatte über verschiedene Dimensionen
In der Debatte über das sogenannte Passungsproblem spielen verschiedene Dimensionen immer wieder eine Rolle, auf die unter anderem die Jugendberufshilfe mit Unterstützungsangeboten reagiert:
Regionale Disparitäten: In bestimmten Regionen gibt es Besetzungsprobleme bei den Betrieben, während in anderen Regionen die Versorgung von Jugendlichen mit Ausbildungsplätzen nicht funktioniert. Das Azubi- und Jugendwohnen bietet eine Lösung, Wohnraum für Auszubildende und junge Menschen in schulischen und beruflichen Angeboten sicherzustellen und sie pädagogisch zu begleiten. Die Bundesregierung muss grundsätzlich die Mobilität in der beruflichen Ausbildung analog zum Studium ermöglichen.
Berufliche Disparitäten: Der Anteil unbesetzter Ausbildungsplätze konzentriert sich stark auf bestimmte Berufe. Hier können eine bessere, inklusiv orientierte Berufsorientierung und Ausbildungsvorbereitung sowie eine Steigerung der Attraktivität von bestimmten Berufen helfen, diese Disparitäten deutlich zu verringern.
Beispielsweise unterscheiden sich die Tätigkeitsmerkmale der Berufe Kauffrau*mann im Einzelhandel gegenüber der Fachverkäufer*in im Lebensmittelhandwerk wenig. Das Prestige-Niveau ist beim Ausbildungsberuf im Lebensmittelhandwerk jedoch geringer und die Stellen sind häufiger weiblich besetzt. Junge Menschen müssen umfassend über die verschiedenen Ausbildungswege informiert werden. Dabei darf die Berufsorientierung nicht zuweisend erfolgen, sondern sie müssen eine realistische Perspektive anhand persönlicher Kompetenzen und Stärken erarbeiten können.
Sektorale Ungleichgewichte: Wenn zu viele Bewerber*innen eine Ausbildung in großen Betrieben bevorzugen und damit Ausbildungsangebote etwa in handwerklichen Kleinbetrieben meiden, führt dies dazu, dass Ausbildungsstellen nicht besetzt werden. Oder dass sich das relevante Ausbildungsangebot für die Bewerbenden hierdurch reduziert. Auch hier kann eine Berufsorientierung aufklären. Damit einhergehen müsste auch eine Erhöhung der Ausbildungsbereitschaft von Klein- und Kleinstbetrieben, denn diese bildeten in den vergangenen Jahren immer weniger junge Menschen aus
Qualifikatorische Passungsprobleme: Die Betriebe nehmen offensichtlich keine ausreichende Qualifikation bei den Bewerber*innen wahr. Allerdings zeigt sich, dass schlechte Leistungen im Schulsystem nicht gleichzeitig bedeuten, dass dies genauso für die praktischen Aufgaben in der Ausbildung gilt. Zwar sind sprachliche, mathematische und digitale Grundkompetenzen genauso wie die sozialen Umgangsformen für die meisten Ausbildungen nötig. Zugleich stehen Unterstützungsleistungen zur Verfügung (z. B. die Assistierte Ausbildung flexibel), die individuell unterstützen können. Oft sind diese aber gerade bei kleinen Betrieben oder den Ausbildungssuchenden nicht bekannt.
Schlussfolgerung
Für den Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit ist es wichtig, dass die Debatte über Passungsprobleme nicht auf regionale und berufliche Disparitäten sowie sektorale Ungleichgewichte und qualifikatorische Passungsprobleme beschränkt bleibt. Die Situation und die Bedarfe der jungen Menschen müssen im Mittelpunkt stehen. Eine hohe politische Priorität sollte deswegen auf sozialpädagogischen Coaching-Angeboten, einer inklusiven und wirksamen Ausbildungsgarantie sowie auf einer qualitativen Weiterentwicklung des Übergangssystems liegen. Zielführend bleibt eine kontinuierliche und individuelle Begleitung junger Menschen.
Die Stellungnahme als PDF herunterladen.
